Die Politik und die Familie

Die Förderung der Familien war eines der großen Themen des vergangenen Wahlkampfs. Von der Bevölkerungsstatistik aufgeschreckt überboten sich alle Parteien in Programmen, die Paare dazu ermuntern sollen, Kinder bzw. mehr Kinder zu bekommen. Vor ein paar Jahren war das noch anders; da wurde das weiche Thema Familienpolitik noch als „Gedöns“ (Schröder) abgetan. Insofern sollte man ja eigentlich für die Zukunft der Familien in unserem Land hoffen können.

Aber um was geht es den Parteien wirklich? Betrachtet man die Programme und Verlautbarungen genau und befreit man sich vom Eindruck der wohlklingenden Formulierungen, merkt man schon, daß es da eigentlich nicht um die Familie geht, sondern sozusagen um ihr Produkt: die Kinder. Kinder werden gebraucht, um jeden Preis, jemand muß ja schließlich die künftigen Renten bezahlen, und da man Kinder noch nicht kaufen kann, muß man auch mal so eine merkwürdige und in einen straff durchökonomisierten Wirtschaftsablauf nicht hineinpassene Einrichtung wie die Familie etwas hofieren.

Ein Spagat ist das schon, was da vorgeführt wird: Kinder soll sie liefern, die Familie. Aber damit hat sie ihre Aufgabe eigentlich schon erfüllt. Ab einem Alter von etwa zwei Jahren sollten die Kinder von Institutionen erzogen werden, angeblich, weil die das ja viel besser, eben professionell, können. In Wirklichkeit geht es darum, beide Eltern als Arbeitskräfte für die Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Merkwürdigerweise spielt dabei die Tatsache, daß es im Land ohnehin schon fünf Millionen Arbeitslose gibt, keine Rolle. Überall ist es zu hören und jeder halbwegs politisch Korrekte betet es nach: Nur die Erwerbsarbeit kann wirklich erfüllend sein; Mutter sein heißt ohne Gehalt Windeln waschen, und wer da zu  widersprechen wagt, der wünscht sich offenbar das Heimchen am Herd zurück.

Was eigentlich die Aufgabe der Familie in unserer Zeit sein muß, kommt in diesem Infobrief in einigen Aspekten zur Sprache. Wo, wenn nicht in der Familie, lernen Kinder menschlichen Umgang, Mitgefühl, friedliche Konfliktlösung?
Und: wer sagt, daß das eine einfache Aufgabe ist? Wenn es ein bezahlter Beruf wäre, würde es eine mehrjährige Ausbildung, wenn nicht ein Studium, voraussetzen. Was auf dem Spiel steht, können wir an den jüngsten Ereignissen in Frankreich ablesen.

Quelle: Infobrief 6, November 2005