Warum ein Familienverein?
 
Mit dem schleichenden Abbau der Institution Familie findet gegenwärtig eine besorgniserregende Entwicklung statt. Die Bedeutung der Familie ist aber für das Wesen des Einzelnen und die ganze Gesellschaft enorm. Eine gesunde Familie bietet einem Kind die besten Möglichkeiten, sich zu einem eigenständigen und verantwortungsvollen Glied der Gesellschaft zu entwickeln. Daher rechtfertigt sich auch die Bezeichnung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Es sind wirklich existentielle Gründe, warum die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft wieder stärker in das Bewußtsein der Menschen rücken muß.

ks. Sehr lange  wurde die Bedeutung der Familie kaum in Frage gestellt, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung lebt auch heute in traditionellen, natürlichen Familien1 und zweifelt nicht an der wichtigen Rolle der Familie. Diese Mehrheit wollen wir unterstützen und ihr eine Stimme geben, überkonfessionell und nicht parteigebunden.
Auch die Parteien haben erkannt, daß die meisten Menschen nach wie vor an der Familie festhalten und präsentieren sich fast ausnahmslos als familienfreundlich. Doch halten die Familienprogramme der Parteien einer kritischen Prüfung stand?

Zwingt die Wirtschaft die Familie in die Knie?

Es fällt auf, daß die wirtschaftlichen Aspekte auch in der Familienpolitik im Vordergrund stehen. Trotz Kindergeld, Erziehungsgeld, Steuerfreibetrag und Eigenheimzulage wird aber die relative Einkommenssituation junger Familien verglichen mit kinderlosen Paaren oder Singles immer schlechter2. Betrachtet man weiter die sozialen Aspekte der Politik, erkennt man, daß die Familienpolitik nicht die materielle Unabhängigkeit der Familien fördert, sondern vielmehr die Berufstätigkeit beider Ehepartner. Natürlich soll jede Frau selbst entscheiden können, ob und was sie außerhäuslich arbeiten will. Voraussetzung für diese Entscheidungsfreiheit wäre aber, daß mit der Erwerbstätigkeit einer Person die Familie finanziell ausreichend versorgt werden kann – und dies wäre die eigentliche Aufgabe der Politik. Die Mutter bzw. in entsprechenden Fällen der Vater sollte nicht aus finanziellen Gründen zur Erwerbsarbeit gezwungen sein, sondern sie (er) soll ihre (seine) Kraft, Energie und Beziehungsfähigkeit dafür einsetzen können, die Kinder zu gefestigten Persönlichkeiten und mündigen Staatsbürgern zu erziehen und ihnen die bleibenden Werte des menschlichen Lebens zu vermitteln.
Ein anderer Bereich, der in diesem Zusammenhang kritisch hinterfragt werden muß, ist die außerhäusliche Kinderbetreuung in Erziehungseinrichtungen. Dies ist ein Dauerthema der Familienpolitik; viele empfinden den erst kürzlich gesetzlich verankerten Anspruch auf einen Kindergartenplatz auch als Erleichterung. Aber wollen wir wirklich all das, was gegenwärtig geplant wird? Wollen wir eine Kindergartenpflicht, eine Ganztagsbetreuung schon für Halbjährige? Für die Kinder und Kleinkinder ist das nicht förderlich. So ist die Sprachentwicklung bei Heim- und Hortkindern häufiger verlangsamt, die Sozialisation eher gestört und weitere Entwicklungsverzögerungen werden vermehrt beobachtet; dies ist mittlerweile wissenschaftlich gut belegt3. - Und die Frauen? Natürlich können sie so besser einer außerhäuslichen Berufstätigkeit nachgehen, sie sind von „Herd und Kindern befreit“. Dieses leninsche Ideal der Kollektiverziehung – in den sozialistischen Ländern wurde es mit allen Folgen praktiziert – diente vordergründig der Befreiung der Frau. Eigentlich wird die Frau damit aber in die Wirtschaft (Lenin sprach da von Proletariat) eingegliedert. Zudem ermöglicht es den Zugriff auf die Erziehung und Prägung der Kinder im Sinne des Staates und nicht im Sinne der Familien. Da macht es schon nachdenklich, wenn Politiker die Erziehung eines neuen Europabürgers fordern (was ist das eigentlich?). Was soll da mit unseren Kindern geschehen? – Nebenbei: Es entstehen durch diese Kollektiverziehung enorme Kosten für die Gesellschaft (z. B. betragen die Kosten für einen subventionierten Kinderhortplatz in München derzeit ca. 2700.- DM monatlich plus diverse Nebenkosten4).
Wenn aber der Arbeitskräftemangel nur mit Hilfe aller Frauen gedeckt werden kann, heißt das doch nur, daß die Bevölkerungspolitik seit Jahrzehnten versagt hat. Mit einer durchschnittlichen Geburtenrate von etwa 1,3 Geburten pro Familie sinkt die Bevölkerungszahl in Deutschland, und eine Überalterung findet statt. Die enormen Probleme, die sich hieraus ergeben, liegen auf der Hand, einen Vorgeschmack darauf bietet die aktuelle Rentendiskussion. Offenbar ist die Politik mit ihrem Zeithorizont von ein bis zwei Wahlperioden mit solchen Themen überfordert.
Die Politik hat offensichtlich kein Interesse daran, einen deutlichen finanziellen Anreiz für eine größere und damit bevölkerungserhaltende Kinderzahl pro Familie zu geben. So wird bei der Bemessung des Kindergeldes nicht mehr zwischen erstem und zweitem Kind unterschieden, der Anreiz für ein drittes Kind ist prozentual deutlich niedriger als noch 1982 (1982 betrug der Betrag für das dritte Kind 440%  des Erstkindersatzes, im Jahr 2000 nur 111%, entspricht 300 DM gegenüber 270 DM beim ersten und zweiten Kind heute4).

Das Ansehen von Mutter und Hausfrau verbessern

Auch in Bezug auf viele gesellschaftliche Entwicklungen müssen einige kritische Fragen gestellt werden, wenn man sich der Bedeutung der Institution Familie bewußt ist.
 Warum ist das Ansehen der „Hausfrau“ ungerechtfertigterweise so gering? Niemand wird leugnen, daß der Beruf der Hausfrau und Mutter verantwortungsvoll, anspruchsvoll, vielseitig und überstundenreich ist, wenn er ernsthaft ausgeübt wird. Ist das geringe gesellschaftliche Ansehen der „Nur-Hausfrau“ historisch bedingt? Sicher hat die Frauenbewegung mit der Forderung nach Gleichberechtigung von Mann und Frau viel erreicht. Aber leider haben auch viele Gedanken des modernen Hardlinerfeminismus in den Köpfen Einzug gehalten, die reines Machtstreben, Gleichmacherei und Zerstörung der Familie beinhalten. Liegt der Stein des Anstoßes bei der fehlenden Ausbildung der Hausfrauen? Stillschweigend wird vorausgesetzt, daß die häusliche Tätigkeit von jedermann spontan beherrscht werde, viele junge Mütter und Hausfrauen/Hausmänner wären aber sehr dankbar, hätten sie bestimmte Selbstverständlichkeiten der Hauswirtschaft wie Kochen, Putzen, Wäschepflege usw. gelernt. Ist die Hausfrau so gering geachtet, weil sie kein Geld mit nach Hause bringt? Hier muß man auf zahlreiche ökonomische Schriften verweisen, die belegen, wieviel (auch in DM berechenbar!) eine Hausfrau erarbeitet, - die aber einfach zu wenig Beachtung finden. Paradoxerweise werden erzieherische und hauswirtschaftliche Tätigkeiten gerne an Fachkräfte (Tagesmutter, Putzhilfe, Haushaltshilfe) delegiert, dann auch bezahlt und als respektabler Beruf betrachtet. Was gaukelt uns der Zeitgeist da nur vor? – Umgekehrt betrachtet: verbergen sich hinter dem Beruf Hausfrau nicht etliche Berufe, so ist doch der Koch, die Krankenschwester, der Finanzminister, der Manager, der Chauffeur, der Musiker, der Seelsorger, der Gärtner, die Erzieherin und noch so vieles immer wieder gefragt.
Gerade unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten muß festgehalten werden, daß die Familie immer wirtschaftlicher für Hausarbeit und Erziehung sorgen kann, als staatliche oder privatwirtschaftliche Institutionen dies jemals könnten. Eine ausgesprochene Schande ist die Altersvorsorge der Hausfrau. Wie steht es z. B. mit den Rentenanprüchen der Hausfrauen nach dem neuen Rentenmodell der Eigenvorsorge, wie ergeht es den Witwen, wenn die Witwenrente gestrichen wird? Was ist auf der anderen Seite von dem Vorschlag eines Erziehungsgeldes zu halten?
 Jedenfalls gibt es Gründe genug, die Familienfrauen, d. h. die Mütter und Hausfrauen in ihrem Selbstverständnis und Selbstbewußtsein zu stärken6,7.

Verläßliche Beziehungen sind erforderlich

Natürlich ist die Hausfrauen- und Mutterrolle mit manchen feministischen Vorstellungen von Selbstverwirklichung nicht vereinbar. Aber wird dabei an die Kinder, an nicht-materielle Werte wie Beziehung, Verläßlichkeit, Geborgenheit, Liebe ... gedacht? Der erste Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes ist die verläßliche Beziehung zur Mutter und feste Bindung an die Mutter. Die Beziehungen werden in der Familie ausgebaut, viele soziale Fähigkeiten sollten eingeübt werden, bevor das größere Kind zunächst die nähere, dann die weitere Umwelt erkundet und erobert. Die Verbindlichkeit der Familie gibt dem Kind den Rückhalt für das Erkunden und den Aufbau weiterer Beziehungen.
 So sehr die Individualisierung derzeit hochgehalten wird, so sehr braucht unsere Gesellschaft auch verantwortungsvolle Menschen, die sich für ihre Mitmenschen nicht nur gegen Bezahlung einsetzen. Warum sollte es sonst noch Mitgefühl und Einsatz für die Armen, Andersartigen oder einfach „den Nächsten“ in unserer Gesellschaft geben? Traditionen, Werte und auch religiöse Erziehung werden vorrangig in Familien weitergegeben. Die Wahrnehmung der vorangehenden Generationen, Verständnis für sie und deren Leistungen wächst am ehesten in der Familie, wo Großeltern auf natürliche Weise präsent sind.
Im Lauf der Entwicklung eines Kindes zum Erwachsenen treten natürlich vielfältige Fragen oder auch gravierende Probleme auf, man denke nur an die schulischen Nöte z. B. eines pubertierenden 15-Jährigen. Zu diesen Fragen gibt es heute eine Vielzahl von wertvollen Erkenntnissen, die den Eltern in sinnvoller Weise zugänglich gemacht werden müssen. Stattdessen ist es gegenwärtig v. a. in den Medien üblich, die Elternrolle zu untergraben, die Lehrerrolle lächerlich zu machen und Eltern und Erzieher gegeneinander auszuspielen.

Echte Beziehung anstatt Konsum

Ein weiteres gesellschaftliches Problem, das die Jugendlichen in verstärktem Maß betrifft, ist die ausgesprochene Konsumorientierung. Es wird erstaunlich viel Geld für die „richtige“ Kleidung ausgegeben, das durchschnittliche Taschengeld ist so hoch wie noch nie. Diese Entwicklung wird natürlich von der Wirtschaft und Werbung ausgenutzt bzw. unterstützt. Warum haben viele Jugendliche eine so hohe, um nicht zu sagen arrogante Erwartungshaltung, warum steht die materielle Bedürfnisbefriedigung so im Vordergrund? Letztlich ist das alles doch nur ein äußeres Zeichen des Beziehungsmangels, der Suche nach echter Beziehung zu den am nächsten stehenden Menschen, der Suche nach wahren Werten. Ohne entsprechende Anleitung wird diese irregeleitete Suche lebenslänglich andauern.
Auch die erschreckende Gewaltbereitschaft Jugendlicher muß als Hilfeschrei, wenn nicht schon sogar als deutliches Alarmsignal verstanden werden. Die leichte Verfügbarkeit von Drogen, z. T. staatlich gefördert, die Verharmlosung von Drogen und Desinformation über die Wirkungsweise von Drogen erschweren die Aufgaben der Eltern – das können wir als Familienverein nicht mit ansehen. Wir lehnen jede Drogenliberalisierung ab, da sie vor allem zur Folge hat, daß die notwendige gesellschaftliche Abwehr gegen den Drogenkonsum geschwächt wird. Echte Hilfe für Süchtige beruht im Gegenteil auf der Einsicht, daß Sucht die größte mögliche Unfreiheit bedeutet und mit gravierenden körperlichen und psychischen Schäden einhergeht – mit Freiheit hat das Ganze nun wirklich nichts zu tun. Ebenso alarmierend ist der sexuellen Liberalismus, der unsere Kinder und Jugendlichen durchaus beeinflußt, verunsichert oder auch fehlleitet.
Dies sind sicherlich noch längst nicht alle Themen, die derzeit brisant sind und die Institution Familie bedrohen, aber diesen Themen wollen wir als Familienverein nachgehen. Dazu werden wir uns mit Fachleuten austauschen, Politiker befragen und informieren und Fortbildungsveranstaltungen organisieren. Ein wesentliches Ziel ist, mit solchen Aktivitäten den Familien zu mehr Wissen und Selbstbewußtsein zu verhelfen.  •

Literatur::
(1) Dorbritz, J., Stirbt die Familie?, in Frankfurter Allgemeine Zeitung (20. 12. 1999, Nr. 296), S.14
(2) Studie Statistisches Landesamt Baden–Württemberg, zitiert nach Borchert, J., Frauen, Familie und das ganze Gedöns, in: Süddeutsche Zeitung (31. 10. 2000), Wirtschaft
(3) Gautschi, Dr. E., Kinderfreundliches Europa oder Europa-kompatible Kinder?, in: Für die Familie e.V., Infobrief Nr. 1, Dezember 2000
(4) Hellbrügge, Th., Prof. Dr. Dr. h. c. mult, em. Professor für Sozialpädiatrie der Universität München, mündl. 12. 12. 2000
(5) Hefty, G. P., Familienpolitik quergedacht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (14. 11. 2000), S.1
(6) Jäckel, K., Die Frau an seiner Seite. dtv München (1999)
(7) Deutsche Hausfrauengewerkschaft e. V., Postfach 1462, 53004 Bonn
(8) Bowlby, J., Elternbindung und Persönlichkeitsentwicklung. Dexter Verlag – Heidelberg (1995)
 
Quelle: Für die Familie, Infobrief 2