Warum ist die Familie unersetzlich?

Vielleicht hat jeder von uns einmal so ein Gefühl, diese Idee von der Familie sei ja doch eigentlich etwas Überholtes, das keine Zukunft hat und warum glauben wir uns da so dem Zeitgeist entgegenstellen zu müssen? Für solche Stunden, wenn man das Schwimmen gegen den Strom leid ist, lohnt es sich, einmal nüchtern aufzulisten, was eigentlich für die Unersetzlichkeit der Familie spricht:

Die Familie ist der Ort, wo das Leben weitergegeben wird. Zunächst ganz einfach biologisch. Aber das Einmalige an der Familie ist, daß sie eine Synthese von biologischen, psychologischen, pädagogischen und ökonomischen Aspekten darstellt. Das kann keine Institution eines Staates sein.

Die Familie ist der natürliche Ort, Kinder ins Leben einzuführen. „Natürlich“ deshalb, weil nur dort ohne Betreuungsschlüssel, Kostenpauschalen, Aufwandsentschädigungen, Qualitätssicherung und Dienstpläne auch kleinste Kinder rund um die Uhr aufgehoben sind. Möglich ist dies nur durch die enge Gefühlsbindung zwischen Eltern und Kindern. Man stelle sich vor, der Staat (also der Steuerzahler) müßte Personal für die Kindererziehung, 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche, bezahlen. Ergebnis wären entweder zerrüttete Finanzen oder trostlose Aufbewahrungsanstalten mit kostenoptimierter Minimalbetreuung.

Die Familie ist eben vielleicht der letzte Ort, wo menschliche Beziehungen frei von Kosten-Nutzen-Erwägungen sind. Wirtschaftlich gesehen ist es sicher einträglicher, in Immobilienfonds zu investieren als Geld in die Erziehung von Kindern zu stecken. Die Familie aufgeben hieße also, sich endgültig und ohne Rückzugsmöglichkeit der Ökonomie auszuliefern.

In der Familie werden Kultur und Tradition weitergegeben. Wo sonst soll man Kinderlieder, Spiele und Bräuche lernen? Noch elementarer ist die Muttersprache, die in der Familie gelernt wird. Schon wenige Wochen alte Säuglinge können den Sprachrhythmus ihrer Muttersprache von anderen Rhythmen unterscheiden.
In der Familie kommen Kinder zum ersten Mal in Berührung mit der Geschichte. Die Erzählungen von Eltern und Großeltern bilden eine natürliche Brücke in die Vergangenheit. Es gibt Kindern ein ganz anderes Gefühl für die Welt, in der sie leben, wenn sie etwa aus dem Mund ihrer Eltern erfahren, daß es in deren Jugend noch kaum Computer und keine Handys gab.

Umgekehrt baut die Familie auch eine Brücke in die Zukunft. Der Gedanke an die Zukunft der Kinder motiviert mehr zum pfleglichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen als die fortschrittlichste Umweltgesetzgebung.

In einer Familie gibt es zwar enge Gefühlsbindungen, ein Raum ohne Konflikte ist sie jedoch nicht. Und das ist eine ihrer größten Stärken: wo können elementare soziale Regeln und gewaltfreie Konfliktbewältigung besser gelernt werden als in einem solchen geschützten Bereich, wo geduldig und liebevoll ein freundschaftlicher Umgang geübt werden kann?

Zuguterletzt hat sich in schweren Zeiten die Familie immer als die wichtigste Stütze erwiesen. Durch alle historischen Umwälzungen, wenn staatliche Sicherungen zusammenbrechen, geben die Familien Halt, ökonomisch wie emotional.

Noch sieht die Mehrzahl der Bürger ein glückliches Familienleben als Ideal an. Kein Wunder, denn eine tragfähige Alternative ist nicht in Sicht. Staatliche Betreuungseinrichtungen zu fordern gehört bei allen Parteien zum Pflichtprogramm, doch ist jeweils unklar, woher sich die Vehemenz dieser Forderungen speist. Daß es, wie propagiert, um die Kinder geht, kann man aus den oben aufgezählten Gründen ausschließen. Tatsächlich geht es um etwas ganz anderes, etwa um die Forderung der Wirtschaft nach billigeren Arbeitskräften. Sobald es selbstverständlich ist, daß alle Erwachsenen für Geld arbeiten gehen, werden sich die Löhne deutlich drücken lassen. Aber es gibt noch ein anderes Motiv: es geht, wie SPD-Generalsekretär Scholz in zynischer Offenheit ausgedrückt hat, um „die Lufthoheit über Kinderbetten“. Wer daran zweifelt, daß es da um Beeinflussung geht: im gleichen Zusammenhang fiel in dem Interview der Ausdruck „kulturelle Revolution“. Daß sich die vollständige Ausnutzung der Arbeitskraft und der staatliche Zugriff auf die Kindererziehung gut kombinieren lassen, kann man bei Aldous Huxley nachlesen („Brave New World“, 1932).

Es ist also notwendig, sich seiner Argumente bewußt zu werden, die Politik wachsam zu beobachten und sich in Diskussionen nicht einzuigeln und kleinlaut zu werden, wenn es um die Familie geht.

Karl Stierstorfer

Quelle: Für die Familie e.V., Infobrief 4, Dezember 2002