Als Mutter in Deutschland, im Irak oder anderswo – wir wollen keinen Krieg!

Elke Möller-Nehring

Ich bin Mutter. Mutter von drei kleinen Kindern. Mütter auf der ganzen Welt wollen das gleiche. Wir wollen, daß es unseren Kindern gut geht, wollen Schaden von ihnen fern halten, sie gesund und glücklich aufwachsen sehen. Uns zerreißt es das Herz, wenn unseren Kindern Leid geschieht. Genauso geht es den Müttern und auch den Vätern im Irak und anderswo.
Der Irak war in den letzten Jahrzehnten Schauplatz blutiger Kriege. Es ging immer um Einfluß, Macht, geostrategische Interessen – wie in allen Kriegen. Es sind Millionen Menschen gestorben, in den Kriegen und durch das Embargo.
Im Golfkrieg wurde die gesamte Infrastruktur des Irak zerstört: Innerhalb der ersten Stunden waren 90% des gesamten Elektrizitätswesens zerbombt (wenige Tage später alles), nach drei Tagen gab es kein fließendes Wasser mehr. Gleichzeitig wurden die Abwasserwerke zerstört – die Menschen mußten Trinkwasser aus dem verseuchten Tigris holen. Sämtliche Bewässerungssysteme der Bauern wurden systematisch angegriffen, in einer Provinz sämtliche Lebensmittellager. Die einzige Babynahrungsfabrik wurde an drei aufeinander folgenden Tagen bombadiert, 1/3 der Schafe wurde getötet, 90% der Geflügelproduktion zerstört. Die Bomben trafen 28 zivile Krankenhäuser, 676 Schulen. Das zivile Verkehrsnetz wurde systematisch zerstört – das alles, um einen Diktator zum Rückzug zu bewegen?
Nein, es ging um die Zerstörung des Irak als lebensfähigen Staat für Generationen. „Amerikanische Technik zermalmte die Wiege der Zivilisation – George Bush nannte es Befreiung.“
Doch es ging noch weiter: Mit dem seit 12 Jahren bestehenden Embargo gegen dieses zerstörte Land werden durch Vorenthaltung lebenswichtiger Güter die Menschen zugrunde gerichtet, ein „langsamer, qualvoller Völkermord“ wie Ramsey Clark, ehemaliger US-Justizminister, schreibt. Die Menschen bekommen keine Medikamente, keine Nahrungsmittel. 1,5 Millionen Menschen, davon 500.000 Kinder sind an den Folgen des Embargos gestorben. An Unterernährung, an eigentlich gut behandelbaren Krankheiten, an Krebs aufgrund der Tonnen uranhaltiger Munition. Als ob es Menschen gebe, für die die Menschenrechte keine Geltung haben! Angesichts der 500.000 infolge des Embargos gestorbenen Kinder sagte Madeleine Albright, damals noch UN-Botschafterin, „Wir denken, daß sie (die Sanktionen) diesen Preis wert sind.“ – Wo bleibt der Aufschrei der zivilisierten Welt?
Und der jetzt angekündigte Krieg? Er wird die endgültige Vernichtung des irakischen Volkes bringen. Offensichtlich hat es den Strategen doch zu lange gedauert, die Gier nach dem schwarzen Gold ist zu groß: Der Zeitpunkt ist günstig, endgültig der Welt zu zeigen, wer die einzige Weltmacht ist und wie mit Widerspenstigen verfahren wird – unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung.
Und die Menschen? Ich bin Mutter. Mütter in aller Welt – im Irak, aber auch in Tschetschenien, in Palästina, in Afghanistan und in all den anderen Ländern, in denen wegen geostrategischer Interessen Kinder, Frauen und Männer getötet, geschunden, ausgehungert, zu Krüppeln gemacht werden – alle Mütter empfinden gleich: Wir wollen in Frieden mit unseren Mitmenschen leben, für unsere Kinder eine friedliche und gerechte Welt schaffen. Verpflichten wir auch Parlament und Regierung darauf! Auf die Einhaltung der Menschenrechte, des Grundgesetzes, der internationalen Konventionen. Ein Nein zur Kriegsbeteiligung heißt auch Nein zu Überflugsrechten und Nein zur Nutzung der US-Basen in diesem schmutzigen Krieg. Erheben wir lautstark unsere Stimmen. Wie sagte doch der Chefstratege der USA? Wenn das Crescendo der Kriegsgegner zu laut wird, müssen wir den Krieg abblasen. – Also, das Crescendo kommt!

Literatur: Göbel Rüdiger, Guilliard Joachim, Schiffmann Michael (Hg.). Der Irak. Ein belagertes Land. 2001 im PapyRossa-Verlag erschienen.

Quelle: Für die Familie e.V., Infobrief 4, Dezember 2002