Wie versichert man eine Familie vernünftig?
 
Eine solche Frage beantworten zu wollen gleicht etwa dem Versuch, eine Antwort zu finden auf eine Frage wie „Welches Auto ist am besten?“. Sinnvoll ist sicher zunächst, sich klarzumachen, was man eigentlich braucht. Bei Versicherungen heißt das: gegen welche Risiken möchte ich mich versichern?

Risikokategorien

Hilfreich zur Klärung des Versicherungsbedarfs ist zunächst die Unterscheidung verschiedener Risikokategorien:
Existenzvernichtende Risiken sind unkalkulierbare Gefahren, die jederzeit jeden treffen können und deren finanzielle Folgen untragbare Dimensionen erreichen können. Ich denke hier vor allem an die Haftpflicht, aber auch das Krankheits- und Berufsunfähigkeitsrisiko sowie die Altersversorgung. Absicherung ist hier so unverzichtbar, daß sie teilweise sogar gesetzlich verankert ist. Fehlt sie, kann das eine Familie wirtschaftlich ruinieren.
Existenzbedrohende Risiken sind der Höhe nach kalkulierbar. So kann z.B. vernichteter Hausrat ersetzt werden von jemandem, der genug Rücklagen gebildet hat. Ob es hier bei schmerzlicher finanzieller Einbuße bleibt oder ob die wirtschaftliche Existenz zerstört werden kann, hängt vom Einzelfall ab.
Existenzneutrale Risiken, die notfalls selbst getragen werden können, bilden die größte Einsparmöglichkeit bei Versicherungen. Auf solche lediglich nützlichen Versicherungen wie Rechtsschutz- oder Reisegepäckversicherung kann am ehesten verzichtet werden.
Notwendig ist zunächst eine persönliche Risikoanalyse, da in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche Versicherungen benötigt werden. So braucht zum Beispiel ein 64-jähriger keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr.

Oberste Priorität

haben immer Haftpflichtversicherungen. Die private Haftpflichtversicherung beinhaltet für Familien Prüfung der Haftung, Abwehr unberechtigter Ansprüche (insoweit ist die Haftpflichtversicherung auch eine passive Rechtsschutzversicherung) und insbesondere den Ersatz von Entschädigungen. Besonderer Wert sollte darauf gelegt werden, daß von Kindern verursachte Schäden großzügig reguliert werden.
Sehr empfehlenswert ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung – schon für Auszubildende und Studenten. Denn in den ersten fünf Jahren zahlt die gesetzliche Rentenversicherung gar nichts und danach nur einen kleinen Bruchteil dessen, was zum Leben notwendig ist. Berufsschutz wird jetzt nur noch von einigen privaten Versicherungen geboten: Aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommt man gar nichts mehr, wenn man nach Ansicht der Amtsärzte in der Lage ist, länger als 6 Stunden täglich irgendeine Arbeit zu verrichten.
Da eine reine Unfallversicherung das allgemeine Gesundheitsrisiko nicht abdeckt, ist sie für sich allein genommen nicht tauglich, um das Berufsunfähigkeitsrisiko abzudecken.
Bei der Krankenversicherung sollte meiner Meinung nach jeder, der die Möglichkeit hat, bei der Gesetzlichen bleiben – aber angesichts der zunehmenden Einschränkungen muß man sich rechtzeitig nach günstigen privaten Kranken-Zusatzversicherungen umsehen. Wer häufig verreist, braucht eine Auslandskranken-Zusatzversicherung.

Zusätzlicher Versicherungsbedarf

hängt vom Einzelfall ab. Wer zum Beispiel keine Reserven hat, um das Risiko selbst zu tragen, und sein gesamtes Gespartes in eine Wohnungseinrichtung gesteckt hat, braucht eine Hausratversicherung, eventuell mit Selbstbeteiligung.
Wer viel fährt, sollte sich eine Verkehrsrechtsschutzversicherung überlegen.
Sobald Einkommen vorhanden ist, kann nicht früh genug angefangen werden, sich eine eigene Altersversorgung aufzubauen. Priorität sollte hier (nicht nur aus steuerlichen Gründen) die betriebliche Altersversorgung haben. Bei der Riester-Rente – die für sich genommen nie die ganze Versorgungslücke ausfüllen kann – muß übrigens immer auch deren nachgelagerte Besteuerung mitbedacht werden.
Verheiratete sollten ihren Versicherungsschutz überprüfen: sind sie gegen bestimmte Risiken doppelt versichert? Ist der Versicherungsbedarf gestiegen? Wenn Nachwuchs kommt, ist eine Kinder-Unfallversicherung (mit Invaliditätsrente aus Unfall und Krankheit) gefragt, da das Risiko hoch ist und eine gesetzliche Absicherung möglicher Dauerfolgen in den ersten Lebensjahren nicht existiert.
Gerade wenn die gesamte wirtschaftliche Existenz am Einkommen eines Elternteiles hängt, muß auch über den schlimmsten Fall nachgedacht werden: über die Versorgung der Hinterbliebenen, wenn der Ernährer verunglückt oder krank wird und stirbt. Allerdings sollte eine Absicherung so flexibel sein, daß sie sich dem verändernden Bedarf anpassen kann. Eine gute Vorsorgestrategie berücksichtigt etwa auch das Alter der Kinder.

Voraussetzungen für die „richtige“ Versicherung

Durch den Versicherungs-Binnenmarkt (seit 1994) sind einheitliche Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVBs) Vergangenheit. Mit Ausnahme von Kranken- und Lebensversicherung ist jede Tarifbindung und -kontrolle außer Kraft. Heute hat also jede Versicherung unterschiedliche eigene AVBs. Dadurch wurde der Markt zwar unübersichtlicher, aber es besteht nun die Möglichkeit, Policen wesentlich flexibler dem jeweiligen individuellen Bedarf anzupassen. Nur auf den Preis allein kommt es jedenfalls jetzt nicht mehr an. Neben der objektiven Klärung des Versicherungsbedarfs sind entscheidend: verständliche AVBs und – was oft unterschätzt wird – hinreichende Rechtskenntnis, genügend Zeit für regelmäßige Anpassungen an neue Versicherungs-bedingungen und geänderte individuelle Lebenssituationen und vor allem eine reibungslose Abwicklung im Schadensfall.

Brigitte Müller

Quelle: Für die Familie e.V., Infobrief 3